Renates Kolumne: Mit mir geht mal wieder der Gaul durch

| Renate Dehner
Nichts gegen den Gaul: Ich besitze die größte Hochachtung vor Tieren! Wenn der Gaul jetzt mit mir durchgeht, hat das wahrscheinlich damit zu tun, dass er es mit der Gattung Homo (non) sapiens gerade sub-optimal findet. Dunkel erinnere ich mich daran, schon öfter ein Phänomen beklagt zu haben, wahrscheinlich sogar an diesem illustren Ort, das ebenso rätselhaft unerklärlich wie bedauerlich ist.
04_Kolumne_Gaul.jpg

Es handelt sich um folgendes: Die Menschen, wenn man sie individuell betrachtet, sind, ohne die Ausnahmen erwähnen zu wollen, nett, sympathisch, sie besitzen Empathie für andere, lieben die Natur, mehr oder weniger, lieben für gewöhnlich ihre Kinder und verhalten sich im Großen und Ganzen, beziehungsweise im Kleinen und Separaten, halbwegs vernünftig. Als Individuen betrachtet sind wir, wenn wir mal Putin, Trump und noch so ein paar Geistesgrößen außer Acht lassen wollen, soweit ganz okay. Warum sind wir als Masse eine solche Katastrophe? Wo es bei Tieren eine Schwarm-Intelligenz gibt, scheint bei uns nur Schwarm-Blödheit vorhanden zu sein.

Ich raff es einfach nicht! Wieder draufgekommen auf dieses alte Thema bin ich durch einen Beitrag im „Wissen“-Teil der SZ am 14.März. Ich muss die ganze Überschrift zitieren, dann verstehen Sie wahrscheinlich sofort, worauf ich hinaus will. Hauptüberschrift: „Tiere können Wissen weitergeben“, Unter-Überschrift: „Schimpansen und selbst Hummeln sind in der Lage, komplexe Dinge zu lernen und sie anderen beizubringen. Gibt es denn gar nichts, was den Menschen einzigartig macht?“

Also, diese Frage kann ich beantworten! Eine so einzigartige Blödheit wie sie der Menschheit zu eigen ist, findet sich vermutlich nirgendwo im Tierreich. Nehme einer noch einmal das Wort „hummeldumm“ in den Mund! Wir, die Ebenbilder eines mit zynischem Humor gesegneten Gottes, sind von allen Gattungen doch wohl die Dümmste. Keinem einzigen Tier würde es beifallen, mit Fleiß dafür zu sorgen, sich seiner Lebensgrundlage zu berauben – noch dazu, wenn es haargenau weiß, was es tut, weil man es ihm über fünfzig Jahre lang detailliert erklärt hat.

Ich weiß, ich schmücke mich mit fremden Federn, wenn ich so viele Zitate anbringe, aber in dem oben genannten Beitrag waren ein paar Sätze, die ich Ihnen nicht vorenthalten will, weil man sich doch nicht sicher sein kann, ob Sie den „Wissen“-Teil der SZ so gern lesen wie ich. Da ist zum einen die Erkenntnis von Alex Thornton, eines Zoologen der britischen University of Exeter: „Menschen neigen dazu, ihre Fähigkeiten im Vergleich zu anderen Tieren zu überschätzen.“ Das ist ganz unnachahmlich mit dem von uns allen so bewunderten britischen Understatement formuliert. Vor so viel Zurückhaltung kann man nur den Hut ziehen! Ich meine, er hätte auch sagen können: „Wir sind eingebildete Idioten, die sich für die Größten halten, nur weil sie es geschafft haben, Maschinen, Technologien, Industrien und Waffen zu erschaffen, die die Erde in absehbarer Zeit unbewohnbar machen, außer für Ameisen, die wenigstens Schwarmintelligenz besitzen.“

Und jetzt kommt noch ein Zitat, bei dem mir beim Lesen die Kinnlade aufs Brustbein fiel: „Unbestritten ist, dass die Fähigkeit des Menschen, auf dem Wissen und den Erfindungen früherer Generationen aufzubauen, Teil seines Erfolgsrezepts ist. Unter anderem hat sie der Art Homo sapiens ermöglicht, lebensfeindliche Regionen der Erde zu besiedeln und sich über die ganze Welt auszubreiten.“

Wie belieben – Erfolgsrezept? Ich lese immer „Erfolgsrezept“? Unser „Erfolg“ besteht im Moment doch gerade darin, viele Gebiete der ganzen Welt, in der wir uns ausgebreitet haben, in lebensfeindliche Regionen zu verwandeln, sowie vormals blühende Natur erfolgreich mit Abfallhalden und Giftmülldeponien zu besiedeln. Statt Tieren in gutgemeinten Versuchen irgendetwas Komplexes beizubringen, täten wir wahrscheinlich doch sehr viel besser daran, uns von den Tieren vernünftiges Verhalten abzugucken. Denn dass wir grundsätzlich lernfähig sind, daran habe ich keinerlei Zweifel! Es sollte uns doch gelingen, daraus was zu machen, oder?