Richter oder Führungskraft – welche Rolle übernehmen Sie im Gerichtssaal-Spiel?

Ein Mitarbeiter stürmt in Ihr Büro und beklagt sich darüber, dass die Kollegin mal wieder ohne Rücksprache auf einen Kunden zugegangen ist. Ein Verstoß gegen die generelle Abmachung in der Abteilung. Sie beruhigen Ihren aufgebrachten Mitarbeiter und suchen das Gespräch mit der entsprechenden Mitarbeiterin, um die Angelegenheit zu klären und ihr zu verdeutlichen, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist. Kurz darauf kommt die Mitarbeiterin in ihr Büro und beschwert sich ihrerseits über einen Verstoß gegen den internen Verhaltenskodex eines anderen Kollegen. Ein Teufelskreis, der wahrscheinlich auch Ihnen bekannt vorkommt. Doch wie durchbrechen Sie diesen?
richter-fuehrungskraft.jpg

Die beschriebene Sachlage ist eine typische Einladung zum „Gerichtssaal-Spiel“, wie es Eric Berne, Gründer der Transaktionsanalyse, benennt. Damit gehört es zu einem der psychologischen Spiele, die gewissen Mustern und Regeln folgen – ähnlich wie bei Gesellschaftsspielen. Psychologische Spiele sind durch dekonstruktive, manipulative Interaktionen geprägt und führen zu einem vorhersehbaren Ende. Erkennen lassen sie sich meist an so einem unguten Bauchgefühl, begleitet von Gedanken wie: „Was war das jetzt schon wieder für eine Nummer?“ Das sind meist untrügliche Zeichen dafür, dass gerade ein solches Spiel gelaufen ist. Generell können wir davon ausgehen, zwei bis drei Einladungen zu einem Spiel pro Tag zu erhalten.

Beim „Gerichtssaal-Spiel“ ist die vorgesehene Rolle für die Führungskraft die des Richters. Wenn Sie dies annehmen, sind Sie mittendrin im Spiel mit den vordefinierten Regeln. Schauen wir uns die entsprechenden Spielregeln dazu einmal genauer an:

Die Spielregeln im Gerichtssaal-Spiel

Spielregel Nummer eins: Was ist der Sinn und Zweck eines Gerichts?
Sinn und Zweck eines Gerichts ist es, Recht zu sprechen. Es geht also nicht darum, Kompromisse zu erarbeiten oder gute Lösungen zu finden, sondern um die Rechtsprechung.

Spielregel Nummer zwei: Das Opfer sein wollen
Vor Gericht ist es sinnvoll, möglichst gut dazustehen und zu beweisen, dass man das Opfer ist. Dafür werden alle Register gezogen und die beiden Parteien versuchen die Führungskraft, oder in diesem Fall den Richter, davon zu überzeugen, dass ihre Darstellung der Situation die richtige ist. Damit dies besonders effektiv gelingt, werden notfalls Details ausgelassen, die Wahrheit wird verdreht oder es wird sogar gelogen. Die Beschwerde ihres Mitarbeiters über die Kollegin, die über den Kopf hinweg auf den Kunden zugegangen ist, ist bestimmt nur die halbe Wahrheit. Wenn Sie in der Richterrolle agieren, werden Sie jetzt versuchen die Wahrheit herauszufinden, aber das ist unmöglich, denn jeder wird versuchen, es so darzustellen, dass Sie zu seinen Gunsten entscheiden.

Spielregel Nummer drei: Revision nach dem Urteil
Haben Sie sich dazu hinreißen lassen, einen Richterspruch zu fällen und einer Partei recht zu geben, dann geschieht das oft aus einem inneren Impuls heraus, dass Sie Ruhe vor diesen Dingen haben möchten. Doch meist ist das Gegenteil der Fall – die Partei, die nicht Recht bekommen hat, wird in Revision gehen. Das heißt, bei der nächsten Gelegenheit wird der Mitarbeiter sich wieder beschweren und sehen, ob er diesmal Recht bekommt. Daraus kann sich ein endloser Teufelskreis ergeben, aus dem es kaum ein Entkommen gibt.

Vom Richter zum Moderator

Den Ausstieg schaffen Sie als Führungskraft, wenn Sie sich nicht länger auf das Spiel einlassen und nicht mehr Rolle des Richters übernehmen. Stattdessen ist es zielführender als Moderator aufzutreten. Folgende drei Schritte sind dabei hilfreich.

Schritt 1: Bereitschaft zur Lösungsfindung klären
Bevor Sie eingreifen, stellen Sie sicher, dass beide Parteien an einer echten Lösung interessiert sind. Es gibt durchaus Konflikte, in denen es interessanter ist, den Konflikt aufrechtzuerhalten, als wirklich eine Lösung zu finden. Größtenteils lohnt sich das genauer anzuschauen, denn es ist eventuell der Konflikt eine geniale Lösung für irgendetwas anderes.

Schritt 2: Klare Kontextmarker setzen
Machen Sie deutlich, dass es in der Moderation um Problemlösung und Zukunft geht – nicht um Schuldzuweisungen und Vergangenheit. Achten Sie auch auf den Rahmen des Gesprächs; ein neutraler Ort kann förderlich sein.

Schritt 3: Bewusste Rollenwahrnehmung
Behalten Sie Ihre Rolle als Moderator im Blick und vermeiden Sie es, inhaltliche Entscheidungen zu treffen. Die Lösung sollte von den Beteiligten gemeinsam erarbeitet werden.

Neutralität wahren

Eine neutrale Haltung ist entscheidend für den Erfolg der Moderation. Erkennen Sie an, dass alle Beteiligten mit ihren Interessen und Beweggründen eine Berechtigung haben– ohne, dass Sie das Verhalten selbst gutzuheißen. Indem Sie als Führungskraft diese Prinzipien beherzigen, können Sie effektiv aus dem Gerichtssaal-Spiel aussteigen und eine konstruktive Atmosphäre schaffen. So fördern Sie lösungsorientierte Zusammenarbeit und stärken das Teamgefüge langfristig.