Vorgegebene Ziele, Vorgegebene Zahlen

| Alice Dehner
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Die Schwierigkeiten beim Salescoaching

Coaches, die hauptsächlich mit Führungskräften arbeiten, betreten Neuland, wenn sie Verkäufer coachen, denn solche ganz klar umrissenen Anforderungen, was das Ziel ist, welche Zahlen erreicht werden müssen, finden sich im Führungscoaching für gewöhnlich nicht. Doch ein Verkaufsleiter hat ganz eindeutige Vorgaben: Bei seinem Verkäufer stimmen die Zahlen nicht, die müssten nämlich eigentlich soundso aussehen und genau dahin (mindestens) muss der Verkäufer kommen.

Es gibt viele Faktoren, die den Verkaufserfolg mitbestimmen - die Marktlage, die Kundenstruktur, die Produkte - aber die Persönlichkeit des Verkäufers ist einer der wichtigsten Faktoren. Und da spielen ganz andere Dinge eine Rolle als nur die Verkaufstechniken. Jemand der fit ist in Vertriebstrainings, ist es deshalb nicht unbedingt auch als Coach. Wenn er keine Coachingtools zur Verfügung hat, kann er nicht viel mehr anbieten als Verkäuferbegleitung mit anschließendem Feedback - und das hat den Namen Coaching nicht verdient.

Verkäuferbegleitung wird der schwierigen Situation, in der ein Verkäufer mit schlechten Zahlen steckt, häufig nicht gerecht. Wenn es dem Verkäufer tatsächlich nur an Techniken mangelt, ist es in Ordnung, ihm mit einer Verkäuferbegleitung unter die Arme zu greifen. Doch meist stecken ganz andere Schwierigkeiten hinter schlechten Zahlen. Wer schlecht verkauft, muss einen enormen Druck aushalten. Den macht er sich selbst, sein Verkaufsleiter macht ihn - "Jetzt strengen Sie sich mal ein bisschen an, Sie müssen viel mehr telefonieren, Sie müssen viel mehr Kundenbesuche machen, die paar Abschlüsse, das kann doch nicht Ihr Ernst sein, da erwarte ich jetzt aber mehr Tempo!"- und da ist noch der mehr oder weniger subtile Druck, den erfolgreichere Kollegen ausüben, was seinen Stress erhöht, was zu noch mehr Druck führt. Nur dass der ganze Druck überhaupt nichts hilft. Er führt nur zu einer zunehmenden Entmutigung.

Der Verkaufsleiter, der seinerseits ja auch unter Druck steht, weil er seinem Regionalleiter gegenüber vertreten muss, weshalb er gerade so schlecht abschneidet und auf wenig Verständnis bei diesem hoffen kann, wenn er ihm etwas von einem Verkäufer mit einer schwierigen Phase erzählt, hat ganz konkrete Ziele. Für den Erfolg eines Coachings muss aber auch eine Ziel-Energie beim Coachee vorhanden sein, nicht nur bei seinem Vorgesetzten. Deshalb ist das der erste Punkt, den der Coach abklären muss. Dafür genügt es nicht, ganz lapidar zu fragen: "Wollen Sie diese Ziele denn auch erreichen?" Die Antwort wird immer ein "Ja" sein, gibt aber keinen Aufschluss darüber, wie hoch die Energie wirklich ist, sich für diese Ziele einzusetzen. Wenn der Verkäufer im Moment einfach nur all die negativen Begleitumstände vermeiden will, die mit dem Nicht-Erreichen des Zieles verbunden wären, ist das eine denkbar schlechte Ausgangslage für einen Erfolg. Anders sieht es aus, wenn er wirklich positive Vorstellungen damit verbindet, sein Ziel zu erreichen. Dann besitzt er nämlich viel mehr Energie dafür, sich dafür einzusetzen.

Ein zweiter Punkt, der bei einer Verkäuferbegleitung so nie zur Sprache kommt, im Coaching aber wichtig ist: Der Verkäufer hat durch seine Misserfolge oft schon so das Zutrauen in seine Fähigkeiten verloren, dass er denkt, er "kann das eben gar nicht", weshalb sein Selbstbewusstsein schon einen heftigen Knacks davongetragen hat. Gefördert wird das noch durch sein Abrutschen im System. Verkauf ist Wettbewerb pur, wer die besten Zahlen hat, ist der King, und wer in diesem Wettbewerb versagt, rutscht an die unterste Stelle der Hackordnung. Und wenn das Standing abwärts geht, geht das Selbstwertgefühl meistens mit. Das setzt den nächsten Teufelskreis in Gang: Wie soll man einen Kunden begeistern, wenn man gerade die düstere Verfassung eines Verlierers spazieren trägt?

Ein dritter Punkt, der wesentlich dazu beitragen kann, dass schlechte Zahlen erreicht werden, hängt mit der beruflichen Identität zusammen. Wer aus einer Branche kommt, in der er sich ursprünglich als "Berater" verstand, hat oftmals große Probleme damit, nun Verkäufer sein zu müssen. Das wird manchmal als geradezu entwürdigend empfunden. Das aktive Zugehen- Müssen auf den Kunden löst sehr negative Gedanken aus und das bremst. Wer denkt "Jetzt muss ich die Leute schon wieder belästigen" oder "Jetzt bin ich auch einer von diesen blöden Telefonverkäufern, die mir selber abends so auf den Wecker gehen", wird nicht freudig unverlangte Angebote präsentieren. Diese starke Abwehr muss gar nicht unbedingt immer bewusst ablaufen. Doch so lange man solche negativen Gedanken und Vergleiche nicht herausarbeitet und sie auflöst, wird man nichts am Verhalten ändern können. Da hilft kein Feedback, wie man seine Gespräche anders gestalten könnte. Wer nicht verkaufen will, sich vielleicht auch ursprünglich ganz bewusst gegen einen Job im Verkauf entschieden hat, und es nun doch tun muss, der braucht kein Verkaufstraining und keine Verkaufs-Techniken, sondern eine neue Einstellung zu dem, was er zu bieten hat, auch in seiner neuen Funktion. Erst dann wird er auch sein Verhalten ändern können.

Was auch immer der Hintergrund für die vorhandenen Schwierigkeiten sein mag, es geht im Salescoaching immer um Verhaltensänderung. Verhaltensänderungen zu erzielen, besitzt verschiedene Schwierigkeitsgrade. Am leichtesten gelingt die Veränderung, wenn ein schon vorhandenes Verhalten in einem neuen Kontext gezeigt werden soll. Es lässt sich leicht üben, eine Fähigkeit, die man in einer gegebenen Situation schon immer einsetzt, nun auch in einer anderen Situation zu nutzen.

Schon schwieriger ist es, ein ganz neues Verhalten zu lernen, aber auch das lässt sich trainieren.

Am schwierigsten ist es jedoch, wenn jemand seine berufliche Identität neu definieren muss. Dieser Veränderungsprozess geht sehr viel tiefer als die beiden anderen, denn es sind sehr viele Werte und langgehegte Glaubenssätze betroffen

Um all diesen Anforderungen im Salescoaching gerecht zu werden, braucht es einen gut ausgebildeten Coach, der auf all diese verschiedenen Ebenen eingehen kann.